Cro ist Rap-Superstar, er kann Graffiti, DJ, Design, Schauspiel und Panda. Aber vor allem weiß er, wie man ein unbekümmertes Leben führt: Glücklich zu sein, sagt er, ist gar kein Glück. Es ist eine Entscheidung.
Deutsch-Rap war im Wesentlichen eine Spielart des Vorstadtganoventums, bis 2011 Cro a.k.a. Carlo Waibel kam, Stuttgarter. Mit dem Debüt-Hit „Easy“ machte er sich zum Hohepriester ungezähmter Lebensfreude, „Raop“ und „Melodie“ tänzelten unbeschwert zu mehrfachem Gold und Platin. Cros Biopic „Unsere Zeit ist jetzt“ bringt am 6. Oktober Zuversicht auf die deutschen Kinoleinwände. Cros künstlerisch erstaunliche Leistung an all dem: Seine Unbeschwertheit ist intelligent und hintergründig. Mit The Red Bulletin sprach der 26-Jährige über Spontanität, den Zusammenhang zwischen einfach machen und Einfachmachen – und wie das wirklich funktioniert mit der Entscheidung, glücklich zu sein.
Wenn man’s ernst nimmt, gibt es ja nur eine mögliche Einstiegsfrage für ein Cro-Interview …
… ob ich grade eine Freundin habe?
Wie man es schafft, vier Jahre lang unterbrechungsfrei freundlich lebensbejahende Songs rauszuhauen. Wie geht so viel gute Laune?
Nenn mir einen Grund, der gegen gute Laune spricht!
Zum Beispiel: Es ist 14 Uhr. Du bist gerade erst aufgestanden.
Schlafen kann ich ja richtig gut. Aber wenn ich gerade nicht schlafe, hab ich immer wahnsinnig viel Bock drauf, etwas zu tun. Immer.
Jetzt zum Beispiel?
Nen Smoothie trinken. Mit Karotte. Oder ein Bild malen. Ja, ein Bild malen. Malen ist derzeit überhaupt meine größte Leidenschaft. Sollte ich jemals nicht mehr dauernd durchdrehen, würde ich mich wahrscheinlich durch den Tag malen, bis in den Abend, ganz chillig. Oder ne. Ich kann Stille nicht so gut ertragen.
Du scheinst für jedes Projekt, das du in Angriff nimmst, ein goldenes Händchen zu haben: Musik, Graffiti, Mode, DJ, Produzent, Schauspieler. Gelingt dir immer alles?
Wenn mich etwas wirklich interessiert, dann häng mich da voll rein. Ich kann nicht anders. Und so richtig auf die Fresse gefallen bin ich noch nie, stimmt schon.
Woran liegt das? Eine Idee?
Wahrscheinlich, weil ich nur Dinge mache, die mir wirklich Spaß machen. Und nicht zu viel drüber nachdenke, wie das, woran ich gerade arbeite, bei anderen ankommt. Sich mit dem Gerede der anderen zu beschäftigen, hält einen nur auf. Lieber dem eigenen Impuls folgen. Zack, boom, los! Spontan sein. Locker bleiben. Den Moment genießen. Der Impuls weiß schon, was gerade passt.
Klingt beneidenswert. Aber fast ein bisschen zu, hm, einfach.
Ist doch einfach! Leichtigkeit oder Optimismus oder Spaß am Leben – nenn es, wie du willst – sind ja keine Gaben, mit denen man geboren wird. Dafür muss man sich entscheiden. Will man das? Dann muss man es tun. So ist das. Was hab ich denn, nur so als Beispiel, davon, wenn ich mich mit der Frage belaste, was ein Kritiker über meinen neuen Film oder das neue Album denkt oder schreibt. Das kann ich sowieso nicht beeinflussen.
Emotionen lassen sich nicht so steuern.
Ich bin nicht 24 Stunden am Tag oberkrass fröhlich, wenn du das meinst. Logisch krieg ich auch mal schlechte Laune, wenn es drei Tage mal nicht so läuft im Studio. Aber das ist eben der Zyklus. Eine Woche läuft es, eine Woche nicht. Entscheidend ist doch die Grundstimmung. Wie man damit umgeht, wenn‘s nicht läuft. Ob man sich runterziehen lässt. Oder eben nicht. Es gibt jedenfalls bessere Hausmittel gegen kreative Löcher oder Stress mit der Freundin als dämlich rumzuheulen.
Zum Beispiel?
Ablenkung! Ich lenk mich mit Musik ab. Wenn das nicht funktioniert: Malen. Wenn das nicht funktioniert: Mit einem abgefuckten VW mit Müll auf der Rückbank zu McDonalds heizen, mit Blick auf die Stadt das Zeug in sich reinstopfen und Blödsinn machen. Wenn das nicht funktioniert: Feiern gehen. Mädels einladen. Und wenn das alles nicht funktioniert, was unwahrscheinlich ist, dann ist es okay, sich im Pool in Embryonalstellung zusammen zu rollen und zwei Stunden lang zu heulen. Ansonsten: Party machen und Ja sagen.
Ja zu …?
Ja zu allem. Grundsätzlich einmal: Ja.
Zum Plattenvertrag mit einem Major Label hast du, als „Easy“ 2011 über Nacht zum Megahit wurde, aber Nein gesagt.
Hab ich zu Chimperator (Anm: Jenes Stuttgarter Label, bei dem Cro seit 2011 unter Vertrag ist) anfangs auch. Weil ich nie den Plan hatte, als großer Rapper rauszukommen. Das ist einfach so passiert. Ehrlich! Musik war mein Hobby. Das zufällig alle gut fanden. Bis ich zwei Tracks im Netz hochgeladen hab und Chimperator auf mich zukam. Hab sie dann ein Jahr zappeln lassen. Aber sie haben keine Ruhe gegeben. Irgendwann kam die Idee mit dem Video zu „Easy“ auf, und plötzlich war das ganze Leben ein einziger Fast-Forward-Modus. Das Ding ist auf Youtube durch die Decke gegangen. Und dann kam der Tag, an dem ich dann zum Rappen doch Ja gesagt habe.
Wir darf man sich dieses Ja vorstellen?
Ich bin während der Mathearbeit in der Fachoberschule aufgestanden, hab „Tschüss“ gesagt und bin nach Berlin gefahren.
Also dann doch relativ spontan.
Ich hatte gar keine Zeit, über richtig oder falsch nachzudenken. Wollte ich auch nicht.
Du hast da eine Lebensentscheidung getroffen.
Zu viel Nachdenken korrumpiert Lebensfreude!
Was ist besser: so viel wie möglich ausprobieren, bis ein Projekt aufgeht? Oder sich auf eine Sache konzentrieren und warten, bis es klappt?
Warten bringt einen nirgendwo hin. Einfach tun schon.
Mit „einfach tun“ haut man in vier Jahren zwei Platinalben raus?
Ganz genau damit! Nur damit! Ich hab aktuell eine 2-Terabyte-Platte auf meinem Rechner, da sind über 2000 Beats drauf. Jeden Tag kommen vier, fünf neue dazu. Wenn jeder davon ein Kracher wäre, hätte ich schon 30 Platin-Alben draußen. Ich sitze auch mal einen Tag lang im Studio, um an einem Beat rumzuschrauben, nur um dann am Ende zu merken: Das wird nix. Na und? Muss ich halt fünf Mal von neuem anfangen, bis der sechste perfekt ist. Das ist natürlich das Ziel. Wobei: der Weg dorthin ist auch obergeil.
Wenn ich fünf Anläufe brauchen würde, um dieses Interview zu schreiben, würd ich das ich nicht so super finden …
Fail-Moments sind die wahren Goldstücke! Das neue Album, zum Beispiel, wird so ziemlich das allerbeste, was ich überhaupt jemals gemacht habe. Natürlich sind da jede Menge Tracks dabei, die es nicht aufs Album schaffen. Das ist nicht so wichtig. Wichtig ist: Für uns fünf Jungs, zu diesem Zeitpunkt im Studio, waren sie übergeil. Weil wir uns totgelacht haben, weil wir Fantasietexte rausgehauen haben, weil die Sonne gerade so oder so stand. Das sind die besten Tage, weil sie dir großartige Erinnerungen schenken. Ich zieh aus solchen Momenten echt viel Kraft.
Dein drittes Album wird voraussichtlich im Frühjahr 2017 erscheinen. Sportjournalistenfrage: Wie steckst du den Druck weg, an die Performance der letzten beiden Alben anzuschließen?
Welchen Druck? Die Arbeit an einem Album ist mein Spielplatz. Wir sind die einzigen, die im Freizeitpark drin sind, und wir haben Freitickets für alle Hochschaubahnen, können alles ausprobieren. Und glaub mir: das neue Album wird der Oberknaller. Ganz anders, als alles, was davor da war.
Aha?
Ja! Obwohl es immer noch Cro ist. Aber ich hab mich verändert, gefühlt bin ich jetzt fünf Jahre älter als am Anfang.
Von 2011 bis 2016 werden andere auch fünf Jahre älter.
Schon. Du weißt, was ich meine. Auf den alten Alben waren die Themen sehr grob definiert, es ging irgendwie um … alles. Um die Maske, Stuttgart, das Leben. Das neue Album bin jetzt 100 Prozent ich. Voll reingezoomed in Cro. Keine Ahnung, ob die Leute dann abspringen, weil die Songs so viel persönlicher sind. Glaub ich aber nicht.
Wir müssen jetzt aber noch kurz über deinen Film „Unsere Zeit ist jetzt“ sprechen, der am 6. Oktober anläuft.
Stimmt. Der Film …
Darin startest du einen Filmwettbewerb, der das Leben dreier junger Filmemacher verändert. War der Plot allein deine Idee?
Wir waren fünf, sechs Jungs, die einen Sommer lang Zettel an der Wand haben herumwandern lassen, bis wir loslegen konnten. Und dann hat’s ordentlich gedauert, bis es gepasst hat.
Drei Jahre, immerhin.
So ein Film ist verdammt viel Arbeit. Aber wenn man am Ende ein geniales Movie am Start hat, haben sich Blut, Schweiß und Tränen gelohnt. Trotzdem ist jetzt wieder Mucke machen angesagt. Aufladen und leben. Und später irgendwann wieder eine völlig überraschende Arschbombe machen.
*Das Cover-Interview erschien in der Novemberausgabe 2016 des RED BULLETIN Deutschland