Im ehemaligen Wirtshaus der Winzerfamilie Wachter-Wiesler kocht seit 2015 mit Stefan Csar einer, der weiß, wie man die Welt auf einem Teller ins Dorf bringt, ohne dabei die südburgenländische Genusstradition niederzumähen. Ein kulinarisches Berggespräch auf 291 Metern Seehöhe.
Fotos: Wachter-Wiesler Ratschen/Steve Haider
Der Eisenberg. Dieser bemerkenswerte burgenländische Beinahe-Hochgebirgszug. Epizentrum ostösterreichischer Weinidylle. Yukon des Blaufränkisch. „Eisenberg DAC“, schnurrt der stadtflüchtige Weinfreund hier jahrein, jahraus, und kräuselt verschwörerisch die Nase überm Glasrand. Man mag das. Unaufgeregtes kleines Glück, Blick auf die Hügellandschaft, dazu ein Grammelpogatscherl. Liebgewonnene Genusstraditionen, wie man sie hier zahlreich pflegt. Veränderung: Ein seltener Gast, dem man vorsichtshalber einen kritisch-prüfenden Blick zuwirft, so er sich denn einmal niedergelassen hat.
So war es auch 2015 oben am Ratschen, Deutsch-Schützen zu Füßen, Wald, Wiese und Rebzeilen drumherum, als Stefan Csar seinen neuen Arbeitgebern das, wie er es nennt, „Letzte Abendmahl“ servierte. Da saß die versammelte Winzerfamilie Wachter-Wiesler, sehr bekannt für ihre Top-Eisenberg-DACs, ein bisschen bekannt für die klassische Wirtshausküche des Restaurants Wachter-Wieslers, und schmeckte Neuland. Saibling und Schweinebauch und Rindsbackerl, ja, aber eben alles ganz anders. Südburgenländisches Seelenessen mit globaler Raffinesse, Klarheit, Mut. Es war das Ende Rustikalfutter-Ära am Ratschen. „Die Chefleute waren schon ein wenig überrascht, dass es kulinarisch in Zukunft eher in die, ich sag jetzt einfach mal extreme, Richtung geht“, sagt Küchenchef Csar über sein Aufnahmeprüfungsessen vor zwei Jahren. „Aber finanziell gesehen war eine Veränderung drin, und auch gewollt – wenn‘s dann auch noch gut ist, kann man das Risiko schon eingehen.“
Konsequente Gelassenheit
Viele Stammgäste mit unverrückbarer kulinarischer Erwartungshaltung auf der einen Seite, lang gedientes, entsprechend konditioniertes Küchenpersonal auf der anderen – die ersten Monate im Wachter-Wieslers, sagt Csar, waren „schon ziemlich steinig“. Auch deshalb wurde die Verpflichtung des 31-Jährigen, den es nach Hauben- und Sternehäusern wie Pfefferschiff, Landhaus Bacher, Schloss Schauenstein und noma heim ins Südburgenland zog – Kollege Richard Rauchs Golffreundschaftspflege zu Restaurantleiter Thomas Bartl und einer geplanten Familiengründung sei Dank –, erstmal nicht an die große Glocke gehängt. Zwei Gault-Millau-Hauben und eine Hochsaisonsauslastung von 85 bis 90 % im Restaurant später ist Zurückhaltung nicht mehr zwingend erforderlich.
Ist eh nicht so wirklich Csars Ding, die Zurückhaltung. Nicht beim Kochen. Und beim Reden übers Kochen, das heute groß sein will, noch weniger.
Warum denn, bitte, wo doch der See so nah, Eismeersaibling auf der Karte?
„Weil der eine super Qualität hat, und dieses Regionalblabla ja in 99 Prozent der Fälle reine Augenauswischerei ist. Alles, was ich nicht beim Nachbarsbauer krieg, ist für mich auch nicht regional.“
Wie steht‘s mit einem eigenen Gemüsegarten? Muss man ja heutzutage …
„Ich bin Koch, kein Bauer.“
Ja, aber!
„Schau, was interessiert mich wie der Bauer heißt, welche Schuhgröße der hat. Sicher fragen viele Gäste warum gibt es das von dem oder dem nicht und das schon, aber wir nehmen uns auch Zeit, zu erklären, warum wir was wie tun.“
Man muss nicht immer alles.
Was jedenfalls in Csars Küche sein muss ist Eigenständigkeit. Eine klar erkennbare Handschrift. „Die hat ja im Internetzeitalter kaum noch einer, Rezepte, Gerichtefotos findest du heute tausendfach, da schaut man sich leichter was ab“, sagt er. Moderne schön und gut, aber in dieser Hinsicht ist Csar Traditionalist. „Früher musste man echt viel Arbeit investieren, essen gehen, sich weiterbilden. Heute ist alles transparent. Zu transparent. Stil musst aber schon selber entwickeln. So wie ein Thomas Dorfer oder ein Heinz Reitbauer. Deren Gerichte haben Wiederkennungswert. Charakter.“
Burgenland-Crossover
Am Wiederkennungswert seiner eigenen Kreationen arbeitet Csar unerlässlich, eine hübsch zu vermarktende Beschreibung seines Stils bleibt er aber gerne schuldig. Ganz burgenländisches Crossover eben, Saure Rahmsuppe mit Heidensterz oder Schweinbauch mit Rahmwirksing und Erdäpfel da, Beluga Stör sous-vide mit Miso, Hollandaise und Rettich-Röllchen oder zweierlei Lamm mit Blutwurst-Krapfen, geflämmtem Zuckermais und Melanzani dort. Gemüse ist aktuell der 4-köpfigen Küchencrew liebstes Fleisch, „Erdgemüse vor allem, in allen Variationen“. Mit klassischen Luxusprodukten hingegen braucht ihm erst gar kein Lieferant kommen, sagt er. „Weiße Trüffel, zum Beispiel! Das braucht hier kein Mensch. Oder Wagyu-Beef. Da kann ich gleich in einen Batzen Butter beißen.“ Also lieber Rote Bete aus dem Ofen als Alba-Pilze.
Erhebliche Entscheidungshilfe bei der Wahl dessen, was Csar als Basis für seine Idee gepflegten Aufsehens in der kulinarischen Ordnung rund um den Ratschen so braucht, leistet Cook 2.0-Kundenbetreuer Daniel Wurhofer. Und eine ganze Reihe weiterer Transgourmet-Mitarbeiter, „die vor zehn Jahren schon da waren, immer noch da sind, und denen ich nicht lange erklären muss, was ich will oder brauche“. Online, sagt er noch, bestellt er aber nie etwas. „Nur am Telefon. Weil wenn man sich kennt und vertraut, wieso sollt man dann nicht miteinander reden?“
Nicht mit allen liebgewonnen Traditionen bricht man am Ratschen.
Erschienen in Quintessenz Magazin #01 / 2017