Wine off the Record

Die Zukunft der Önologie beginnt im unteren Drittel eines Stahlfasses und klingt nach Konstantin Wecker. Sagt Markus Bachmann, der Weine durch Musik verändert. Eine Physikstunde, in der getrunken werden darf.

Wer einen Hornisten an die Hyperventilationsgrenze bringen will, muss ihm nicht zwingend sein Instrument in die Hand drücken. In Markus Bachmanns Fall zum Beispiel reicht es aus, den Namen Masaru Emoto fallen zu lassen. Ein kleiner, freundlicher Mann aus Japan, der es vor knapp zwei Jahrzehnten zu gewissem Ruhm brachte – zumindest in parawissenschaftlichen Kreisen und in Hollywood, das seine Geschichte zu einem B-Movie mit Eso-Schleife verwurstete*. Emotos Behauptung: Wasserfläschchen, die mit »Danke, liebe Welt« beschriftet und eingefroren werden, bilden schönere Eiskristalle als solche, auf denen »Mord und Totschlag« steht.

Bachmann ist die optische Erscheinung von Eiskristallen ziemlich schnurz. Hollywood auch. Und Herr Emoto sowieso. Der 47-jährige Wiener, Musiker, Ex-Gastromanager hat sich mittlerweile daran gewöhnt, immer wieder auf die Experimente des Japaners angesprochen zu werden, wenn es um die Erklärung des Entstehungsprozesses seiner »Sonor Wines« geht, wie Bachmann selbst sein Projekt nennt. Was nicht bedeutet, dass ihm der Vergleich gefällt. »Ich sag dem Wein im Tank doch nicht ›Danke‹ und behaupte, dass er dann besser schmeckt.« Außerdem, sagt er, spricht er selber ja gar nicht mit dem Wein. Sondern die Musik. Denn Sonor Wines ist eine Methode, die Weine verändert. Mithilfe von Musik. Sagt Markus Bachmann.

Klingt schon ein bisschen nach Regenbogen essen und Schmetterlinge pupsen.

»Das Verfahren beruht auf physikalischen Prinzipien, und Esoterik und Physik vertragen sich nicht gut«, sagt er.

Bedüdelt. Aber richtig.
Will man den Charakter eines Weines beeinflussen, ist es mit einem Gettoblaster im Weinkeller oder Schrammelmusik im Weingarten nicht getan. »Das sind Marketing-Gags«, sagt Bachmann. »Denen fehlt die wissenschaftliche Grundlage.« Ganz im Gegensatz zu der von ihm entwickelten Weinbedüdelungsmethode, die er vor einigen Jahren zum Patent angemeldet hat. Eine Methode, die einem Zweigelt seine Kantigkeit nehmen, einem Sémillon eine fruchtbetont-lebhafte Note und einem Merlot, der nie ein Eichenfass von innen gesehen hat, Holzanklänge verleihen kann.

Weil?

»Weil durch die Musik die Eigenkapazität der Rebe voll zum Tragen kommt«, sagt Bachmann. Winzer Rolf Pretterebner aus dem burgenländischen Zagersdorf hat diese Theorie 2010 in der Praxis getestet und die Rotweincuvée »Ex Animo« mit Musik des Elektronik-Krautrock-Pioniers Hans-Joachim Roedelius in die Flasche gebracht.

»Das Terroir«, bestätigt Pretterebner, »ist tatsächlich wesentlich ausgeprägter als beim unbeschallten Vergleichswein.«

Überhaupt vertragen sich Sound-Teppiche aus Elektro und Klassik offensichtlich recht anständig mit Wein. Richard Dorfmeister und Rupert Huber, alias »Tosca«, steuerten 2013 Musik ihres aktuellen Albums »Odeon« für einen Merlot 2012 des Weinguts Rotes Haus bei. Ein Album, latent düster und voll komplexer Soundlandschaften, das einen runden, harmonischen und ausgeglichenen Wein hervorbrachte. Ein ähnlich reizvolles Geschmacksbild zeigte auch der bereits erwähnte »Ex Animo« von Winzer Pretterebner und Musiker Hans-Joachim Roedelius.

In Blindverkostungen lässt Bachmann regelmäßig konventionell vergorene und beschallte Weine sensorisch testen. »Die beschallten Weine werden in der Regel als trockener und cremiger, molliger empfunden«, erklärt er.

Dieses charakteristische »mouth feeling« ist dem höheren Glycerinwert und einem geringeren Restzucker der Sonor Wines zu verdanken. Das mag nicht jedermanns Geschmack treffen, aber »die Mädels zum Beispiel sind ganz narrisch gewesen auf den Gemischten Satz von Richard Zahel, den wir anlässlich des Futurezone-Awards 2012 mit Musik der Berliner Pop-Noir-Sängerin Femme Schmidt beschallt haben«, erzählt Bachmann. Ein spritziger Wein mit vermeintlicher Süße. Seinen persönlichen Geschmack treffen da eher Konstantin Wecker oder Jagdhornbläser, deren Musik in den Tanks von Winzer Alois Zeilinger (Hohenwarth, Niederösterreich) erklang. Er habe auch den österreichischen Pianisten Rudolf Buchbinder für einen Wein gewinnen können, aber: »Obwohl ich ein Klassiker im wahrsten Sinne des Wortes bin, war mir der Buchbinder ein bisserl zu weich.«

Meine Hefe ist nicht deine Hefe!
Um zu verstehen, wie diese geschmacklichen Unterschiede zustande kommen, muss man aber schon mehr tun, als nur zu trinken. In den Weinkeller gehen, zum Beispiel, und sich erklären lassen, was im Edelstahltank vor sich geht, wenn Bachmann sich dessen Inhalt annimmt. Stark vereinfacht dargestellt montiert er einen Speziallautsprecher im Tank. Die vom Lautsprecher ausgesendeten Schallwellen breiten sich kreiselförmig von unten nach oben aus, wodurch die Hefe konstant in Bewegung gehalten wird. Und zwar mit der immer selben Titelabfolge einer CD und so lange, bis der Winzer entscheidet, dass das Ergebnis in die Flasche darf. Welche Geschmacksnoten dieses Ergebnis zeigt, hängt von den unterschiedlichen Grundfrequenzen ab, mit denen der Wein beschallt wird. »Die Hefe reagiert primär auf die Tonart, und die ist bei Pop oder klassischer Musik natürlich unterschiedlich«, erklärt Bachmann. Getragene Werke machen den Wein mollig-weich, höhere Frequenzen verleihen ihm mehr Süße.

Dorfmeister oder Mozart beeinflussen aber nicht nur den Geschmack des Weines, sie verändern auch die Arbeit des Winzers. Weil bewegte Hefen keine Kettenformation  

mehr bilden, sich Oberfläche und Reaktionsgeschwindigkeit vergrößern, der Wein früher reift –  und der Winzer früher charakterstarken Wein abfüllen kann. Dem konstanten Hefeauftrieb sei Dank erspart er sich außerdem klassische Vinifizierungsschritte wie Aufrühren oder Temperatursteuerung.

Veltliner. Oder doch China?
Das klingt alles sehr erstaunlich. Erstaunlich praktisch, erstaunlich effektiv. Anfangs stieß Bachmann mit seiner Idee von der tanzenden Hefe bei Vermarktern und Winzern dennoch auf große Skepsis. Kann das wirklich funktionieren?

Und wenn es stimmt, dass der Wein früher reift: Werden die jungweinverliebten Österreicher damit glücklich werden?

2010 überwog bei sechs österreichischen Winzern aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland dann doch die Experimentierfreude. Hannelore Aschauer, Peter Uhler, Alois Zeilinger, Rolf Pretterebner, Franz-Michael Mayer und Stefan Ott brachten Sonor Wines in die Flasche. Als Ausgangsmaterial dienten Pinot blanc, Zweigelt, Merlot, Sémillon und Cabernet franc. Bilanz der musikalisch aufgeschlossenen Winzer: Das Verfahren steigert die Qualität der Weine.

Dass sich Bachmanns Methode in österreichischen Kellern vier Jahre nach dem Erstversuch trotzdem noch nicht durchgesetzt hat, liegt laut Erfinder am mangelnden Wagemut vieler österreichischer Winzer. »Die Amerikaner und Chinesen sind da weitaus aufgeschlossener. Ich kann mir gut vorstellen, in Zukunft auch mit ausländischen Winzern zu kooperieren.« Wird »Wiener Blut« also bald nur mehr in Tanks im Napa Valley fließen?  »Nein, bestimmt nicht«, beschwichtigt  Bachmann.

»Es wird natürlich neue österreichische Editionen und Auftragsproduktionen geben.«

10437607_310662195766395_3189010298033129818_nCONEMILL #4, 2014

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